11 Aug 2009

Migros Magazin «Ich bin ein Sohn der Berge»

Auf der vierten Etappe unserer Tour de Suisse zeigt der kreative Kopf von Zermatt seinen Heimatkanton. Er erzählt, was ihm im Wallis gefällt und wo die Bausünden stehen.

Kreativer Kopf

«Objekte — malen, zeichnen, bauen.» Das sind die Pfeiler von Heinz Julens Wirken. Er ist in Zermatt aufgewachsen und besuchte die Schule für Gestaltung in Sitten. Seine aufsehenerregendsten Aktionen: «Into the Hotel» (siehe Haupttext), sein nie ausgeführtes Projekt für eine Pyramide auf dem Klein Matterhorn, mit dem er den Architekturwettbewerb gewann, sowie seine «Bergwürfel», vom Matterhorn geworfene Kuben, die zu Skulpturen werden.

What’s the matter? The Matterhorn! «D’s Horu»! Im Anblick des helvetischen Vorzeigeberges, dieses formschönen Klotzes, der ja eigentlich ein Import aus Afrika ist, leben 5700 Menschen. Einer von ihnen hat weit übers enge Tal hinaus Berühmtheit erlangt: Heinz Julen (45). Wahrlich ein Tausendsassa!

Er ist nämlich nicht nur in erster Linie Künstler und Architekt, er ist gleichzeitig Inhaber oder Mitinhaber einer Bildergalerie, mehrerer Restaurationsbetriebe, einer Werkstätte für Holz und Metall mit zehn Angestellten, eines Kunstshops, eines Nachtclubs, einer Vinothek … Julen – ein Wahnsinniger! Sogar Tom Hanks weilt momentan in Zermatt. Nicht real natürlich, aber im Film «Illuminati». Im Kino, das ebenfalls Julen gehört.

Das Migros-Magazin traf Heinz Julen im Hotel Coeur des Alpes, seinem jüngsten Werk, das von seiner Schwester Leni (43) und deren Mann Thomas Müller (54) geführt wird. Das erweiterte Gasthaus mit sieben grosszügigen Lofts ist erst vor drei Wochen neu eröffnet worden und trägt die Handschrift Julens, von den Tischen über die Barhocker bis zu den Liegen und den Stühlen. Demnächst wird der Ur-Zermatter Julen seinen beiden Schwestern Leni und Moni (48) – letztere führt mit ihrem Mann Pirmin Zurbriggen (46) ebenfalls ein Hotel am Ort – nacheifern und ein eigenes Hotel erstellen. «Im nächsten Mai beginnen wir mit dem Bau», hofft er.

Ähnliches hat er schon einmal praktiziert, mit dem verrückten «Into the Hotel», das wegen seiner Exklusivität und Originalität weltweite Beachtung fand. Doch es kam zum Krach zwischen dem Geldgeber und dem Kreativen, und das vielversprechende Unternehmen endete in einem Fiasko.

Kein Julen ist aus dem Tal weggezogen

Im Wintersportgebiet von Findeln, wo jetzt die Bergbauern am Heuen sind, steht Julens Bergatelier, inmitten von Granit, Lärchen und Wacholderbüschen. «Hierher ziehe ich mich gerne zurück, wenn ich Ruhe in der Natur brauche», sagt er.

Unweit seiner stillen Klause unterhält eine weitere Schwester, Vroni (48), ihr Restaurant Chez Vroni, 2100 Meter über Meer, Blick aufs Horu und weitere Viertausender, drei Etagen, 250 Sitzplätze. Familie Julen ist schollenverbunden: Niemand ist aus dem Tal weggezogen. «Ich bin nun einmal ein Sohn der Berge, geprägt vom Tourismus, von der Natur, der Tradition, der Geschichte», sagt Julen auf der Terrasse bei einem Glas Heida, einer Walliser Weissweinspezialität.

«Die Leute animieren mich manchmal, nach Zürich, Los Angeles oder NewYork zu ziehen, wo ich am Puls der Zeit wäre. Doch dort würde mir die hiesige Lebensqualität fehlen», sinniert der alpine Künstler.

Dann holt er zu einer architektonisch- philosophischen Betrachtung aus: «In den 1960er-Jahren wurde der Gegend nicht Rechnung getragen; man war mit dem Kulturgut überfordert. Und baute Pseudochalets und grosse Hotels, die aber aussehen sollten wie Kuhställe. » Dabei, so Julen, hätten die alten Walserhäuser die Architektur im ganzen Alpenraum geprägt und namhafte Architekten inspiriert. – «Es sind Meisterwerke des Minimalismus … nur die Funktionalität war von Bedeutung.»

Ein Themensprung von der Architektur zu Julens Privatleben: Der begehrte Zermatter Junggeselle wird nicht mehr lange auf dem Heiratsmarkt verweilen. Am 26. September wird das Mattertal von den Klängen der Hochzeitsglocken erfüllt sein. Julen wird seine einheimische Braut Evelyne Aufdenblatten (32) zum Traualtar geleiten.

Texte Carl Bieler
Bilder Martin Guggisberg

TEIL 4: MIT DEM KÜNSTLER HEINZ JULEN

Tipps fürs Wallis und die Romandie

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IN UND UM ZERMATT

Trifttal. Naturfreund Heinz Julen schwärmt: «Es ist mein Lieblingstal, unberührt, mit spezieller Flora und Fauna und dem schönsten Blick aufs Matterhorn.»

IM SAASTAL

Rundkirche von Saas-Balen, ein später Barockbau. Der barocke Hauptaltar beansprucht praktisch den ganzen Chorraum. Heinz Julen ist ein Fan der vielen Walliser Kapellen: «Sie rühren mein religiöses Herz.» www.saas-fee.ch

IM OBERWALLIS (GOMS)

Ernen. Die alten Häuser auf dem Dorfplatz begeistern die Besucher. Ernen erhielt den Wakker-Preis für das gut erhaltene Dorfbild. Von Ernen aus lohnt sich ein Abstecher ins mineralienreiche Binntal zum speziellen Hotel Ofenhorn aus der Belle Époque. www.binn.ch

IM WALLISER HAUPTTAL

Burg von Leuk. Julen: «Vom Turm aus geniesst man einen sensationellen Rundblick auf die wild fliessende Rhone. In dieser Landschaft komme ich mir vor wie in Tibet.» www.pfyn-finges.ch

Pfynwald, ideal, um mit dem Bike zu erfahren. Er ist europaweit für seine Tierund Pflanzenwelt bekannt.

SEITENTAL

Lötschental. In den vier Talgemeinden leben nur 1500 Einwohner. Ins Lötschental zieht sich Heinz Julen dann zurück, «wenn ich viel um die Ohren habe und einfach einmal weg möchte».

IM UNTERWALLIS

Evolène im Val d’Hérens. Laut Heinz Julen «ein Dorf wie aus einer anderen Welt». Das Tal ist von hohen Gipfeln umgeben. Der bekannteste von ihnen ist die Dent Blanche, 4356 Meter hoch. www.evolene-region.ch.

IN DEN BERGEN

Kraftwerk Grande Dixence mit einem eindrücklichen, ausgedehnten Stollensystem. Etwas für ausgesprochene Technikfreaks. Südlich von Sion. www.grande-dixence.ch

AUSSERHALB DES KANTONS WALLIS

Montreux VD, besonders während des Jazzfestivals. Julen ist befreundet mit Festivalgründer Claude Nobs (73), einem grossen Fan von Zermatt. www.montreuxjazz.com

La Chaux-de-Fonds NE, die Uhrenstadt im Jura. Ende Juni wurde sie zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt. Zu ihr hat Heinz Julen eine besondere Beziehung: «Dort gewann ich als 14-Jähriger die Westschweizer Meisterschaft im Skispringen.» www.neuchateltourisme.ch

EMPFOHLENE HOTELS

Auberge aux 4 Vents bei Fribourg. Entworfen von einer vergnügten Equipe Halbverrückter, die jedes der acht Zimmer in individuellem Stil dekoriert hat. Und in Zermatt natürlich die beiden Hotels von Heinz Julens Schwestern.